„Just Do It“ – Mein Schlaganfall veränderte meine Sichtweise.
Hätte Franz Kafka 1988 als Marketing-Leiter bei Nike gearbeitet, würde es heute wahrscheinlich nicht „Just Do It“, sondern „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“ in den Spots des großen amerikanischen Sportartikel-Herstellers heißen.
Der Spruch von Kafka begleitet mich schon bestimmt zwei Jahrzehnte – nicht als Spruch, sondern vielmehr als Lebensmotto. In vielen Situationen hat er mir den ersten oder auch mal den letzten Stubs gegeben. Er hat mich ermutigt, Dinge zu tun und häufig nicht viel darüber nachzudenken, was alles schiefgehen kann. Ganz im Gegenteil sogar: Ich habe durch ihn über die Jahre eine Sichtweise entwickeln können, die in vielen Situationen eher die Chance wahrnimmt, als von einer Risikobetrachtung in die nächste zu verfallen.
So auch im Februar 2022. Nach einem stressigen Arbeitstag sollte ich noch schnell als Geschäftsführer eines Tech-Unternehmens einen Vertrag unterschreiben. Händisch. Ich druckte also die paar Seiten, nahm meinen Füller und setzte schwungvoll zur Unterschrift an. Was auf dem Papier ankam, sah aus, wie die krakelige Schrift eines Grundschulkindes. Ich versuchte es noch mal und noch mal) – aber es wollte mir nicht gelingen. Um es kurz zu machen – ich landete auf der Stroke-Unit eines Hamburger Krankenhauses – der Intensiv-Station für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben.
Ich hatte extrem viel Glück. Ein kleiner Schlaganfall, rechtzeitig erkannt und dadurch gut behandelbar. Schreiben konnte ich relativ schnell wieder. Trotzdem verändert ein solches Ereignis alles im Leben. Wer so jung einen Schlaganfall erleidet, den ereilt auch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein weiterer. Die Angst, dass der Körper und vor allem der Kopf nicht mehr so mitmacht wie vorher, lässt einen erstarren. Man verliert von einem Moment auf den anderen die Sicherheit in sein Tun und vor allem sich selbst. Man hinterfragt alles. Ständig und immer wieder aufs Neue.
In den auf meinen Schlaganfall folgenden Monaten hat mir, wie schon so häufig zuvor, Franz Kafka mit seiner Weisheit weitergeholfen. Ich machte meine Reha, ließ mich auf alles ein, auch wenn es mir manchmal lächerlich vorkam. So kehrte ich langsam wieder ins normale Leben zurück.
Neben meiner Zeit in der Reha hat mir auch die systemische Sicht auf meine Situation nach und nach sehr geholfen, meine Perspektive zu hinterfragen. Ich erkannte, dass meine Art und Weise auf Situationen zu blicken in der Vergangenheit oftmals von Ängsten und Zweifeln geprägt war, aus denen nicht selten ängstliche Reaktionen entstanden. Betrachtete ich diese Sichtweise jedoch im System, in dem man sich in jeder Minute seines Lebens befindet, dann relativiert sich vieles. Man sieht klarer und (entwickelt die Fähigkeit,) seine überzogenen Gefühle anders zu bewerten.
Die Klarheit darüber, dass meine Gedanken und Gefühle gerade in der Zeit nach dem Schlaganfall eine Reaktion auf mein System sind und nicht immer richtig sein müssen, half mir sehr. Als Coach arbeite ich so mit meinen Coachees, es ist für mich selbstverständlich, meine Coachees als Teil ihres Systems und nie isoliert zu betrachten. Aber hier konnte ich mich selbst coachen und mit Hilfe meiner Therapeutin wieder zu meiner eigenen „Normalität“ zurückkehren. Wobei auch die Normalität eine Situation des Systems ist – also immer wieder hinterfragt werden darf.
Im Oktober und November 2022 bin ich den Jakobsweg in Spanien gegangen. Dies war die Bestätigung, dass ich wieder da bin – glücklicher, besser, reflektierter und viel viel achtsamer als vorher. Kopf und Körper wieder gemeinsam auf einem WegJ
Danke an Franz Kafka – Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.