Führungskräfte haben auch Gefühle – höchste Zeit, sie zu zeigen!
VulnerableLeadership: ein echter Zungenbrecher für mich, die nicht mit Englisch als Muttersprache aufgewachsen ist, und zugleich einer der wichtigsten Leitgedanken, wenn ich meine Rolle als Führungskraft reflektiere. Doch was steckt eigentlich hinter dem Konzept und warum bin ich der Meinung, dass „Verletzlichkeit“ in Wahrheit die Superpower von Führungskräften ist?
Wer will schon „verletzlich“ sein?
Laut Duden wird das Wort „verletzlich“ als „sensibel und daher leicht verletzbar/verwundbar“ definiert. Und auch zum englischen Pendent „vulnerable” heißt es im Oxford Dictionary: “capable of being physically or emotionally wounded” oder “open to attack or damage.”
Dank dieser negativen Konnotation wundert es mich nicht, dass Verletzlichkeit insbesondere im Business-Kontext als für unangemessen empfunden wird und bis heute nicht unbedingt zu den Top-Eigenschaften von Führungskräften zählt. Wer will schon als „physisch angreifbar“ oder „sensibel“ gelten?
Und wie oft habe auch ich in den vergangenen Jahren mit mir gehadert und das Gefühl gehabt, in meiner Führungsposition keine Fehler machen und bloß keine Schwächen zeigen zu dürfen? Verstaubten Glaubenssätzen folgend, sollte ich als Führungskraft doch alles wissen und immer richtig entscheiden; muss die wichtigste Leistungsträgerin im Unternehmen sein.
❗️Ein großer Denkfehler, wie ich heute weiß!
Warum Vulnerable Leadership für mich der bessere Weg ist
Mit zunehmender Führungserfahrung und Selbstreflexion weiß ich heute, dass eine „Macht-mir-alles-nichts-Mentalität“ nicht der richtige Weg ist – zumindest nicht für mich. Warum? Weil ich als Führungskraft dadurch ein unnahbares und falsches Bild von mir gezeichnet habe.
Jeder und jede von uns ist verletzlich und hat eine persönliche Schmerzgrenze – ob wir es zugeben wollen oder nicht. Wird diese Grenze überschritten, können wir unsere Gefühle entweder in uns hineinfressen und darauf hoffen, dass sie sich nicht an anderer Stelle oder zu einem anderen Zeitpunkt entladen. Wir können aber auch unsere gefühlskalte Maske fallen lassen und uns so zeigen, wie wir wirklich sind:
❗️Menschlich, emotional und dadurch authentisch!
Verletzlichkeit – in Wahrheit eine Stärke
Im Grunde geht es bei Vulnerable Leadership darum, man selbst zu sein und dem Team zu reflektieren: „Ich bin ein Mensch wie Du, deshalb kannst Du bei mir auch Mensch sein!“
Klingt banal? Dann sei ehrlich: Wie oft verstummen Gespräche im Büro, wenn Du als Führungskraft den Raum betrittst? Wie oft wurdest Du schon zu Feierabendbier eingeladen oder freundlich von Teamevents ausgeladen? Und wie oft haben Deine Mitarbeitenden wohl schon gedacht, dass Du ihre Herausforderungen eh nicht nachvollziehen kannst und sich Dir deshalb erst gar nicht anvertraut?
Stärke zeigen, indem man seine verletzliche Seite preisgibt, mag auf den ersten Blick widersprüchlich klingen, doch genau darin liegt in meinen Augen der Schlüssel für mehr Offenheit, Empathie und Verbundenheit im Team. Denn: Wer immer die unerschütterliche Führungskraft mimt, die keine Probleme kennt, bringt Distanz zwischen sich und das Team und macht es allen schwer, sich einem anzuvertrauen.
Erfordert es Mut, Überforderung einzugestehen, nach Hilfe zu fragen, falsche Entscheidungen zu revidieren oder emotionale Momente zuzulassen? Darauf kannst Du Deinen Allerwertesten verwetten. Lohnt sich das Ganze dennoch? Hell, yeah!
Denn Vulnerable Leadership bringt zusammengefasst folgende Vorteile:
1.Aufbau von Nähe und Empathie
Wer sich seinen Mitarbeitenden gegenüber öffnet und authentisch ist, macht es diesen leichter, ein ähnliches Verhalten an den Tag zu legen. Dadurch entsteht Vertrauen, das entscheidend für die Bildung von starken Teams ist.
2. Kommunikation auf Augenhöhe
Wenn Führungskräfte Raum für die eigenen Emotionen, aber auch für die aller Teammitglieder schaffen, legen sie die Basis für Kommunikation auf Augenhöhe.
Mitarbeitende fühlen sich wohl und ihnen fällt es leichter, sich ihrer Führungskraft anzuvertrauen.
3. Fördern von Höchstleistungen
Wir sind am stärksten, wenn wir sein können wie wir wirklich sind. Wer sich im Team nicht verstellen muss – weil die Führungskraft es so vorlebt – kann seine Energie bündeln und sich besser auf die wirkliche Arbeit fokussieren.
4. Transparenz
Wenn Führungskräfte offen mit ihren vermeintlichen „Schwächen“ umgehen, ermöglichen sie ihren Mitarbeitenden, von ihren Erfahrungen zu profitieren, aus ihren Fehlern zu lernen und zukünftige Herausforderungen besser zu meistern.
Voraussetzungen für Vulnerable Leadership
Zum Schluss bleibt nur noch die Frage, was genau man als „verletzliche“ Führungskraft eigentlich mitbringen sollte. Wie immer im Leben gibt es auch bei dieser Frage kein richtig oder falsch, kein universell gültiges Geheimrezept.
Nach meiner Erfahrung sollte man sich aber in jedem Fall mit sich selbst beschäftigt haben, um zu wissen, wie die eigene Persönlichkeit ist und wie man diese möglichst authentisch in das Team einbringen will. Welche Schwächen habe ich, wo sind meine Grenzen und wo benötige ich Hilfe? Was in vielen Köpfen nach „Beschädigung der Autorität“ klingt, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Vulnerable Leadership.
Genau deshalb lasse ich mich seit Jahren auch coachen. In größeren Intervallen reflektiere ich dann Feedback, das ich aus dem Team erhalte und persönliche sowie berufliche Themen, die mich beschäftigen. Für mich ein extrem wichtiger Schritt, um noch einmal Impulse von außen mitzubekommen und meinen Führungsstil zu hinterfragen.
Solltest Du trotzdem auf eine Check-Liste bestehen, dann würde ich sagen, dass Vulnerable Leadership dann gelingt, wenn Führungskräfte …
➡️… sich als Person mit all ihren Eigenschaften öffnen können.
➡️… sich nicht verstellen und dafür authentisch sind.
➡️… über sich selbst und die eigenen Emotionen sprechen können.
➡️… transparent kommunizieren und Mitarbeitende in (fast) alle Themen einbeziehen.
➡️… dem Team die richtigen Fragen stellen und Mitarbeitenden zuhören können.
➡️… reflektiert sind und Feedback annehmen können.
In diesem Sinne lade ich auch Dich dazu ein, Deine Verletzlichkeit zu umarmen und so eine #Mutkultur in Deinem Team zu etablieren.